07.04.2007

Ruhm und Ehre!

300
300
USA, 2007.
Regie: Zack Snyder


Nach dem längst in den Kultstatus erhobenen "Sin City" (Miller, Rodriguez, Tarantino, 2005) war es nur eine Frage der Zeit, bis der nächste Comic von Frank Miller einen Platz auf der großen Leinwand finden würde. Obwohl der Nachfolger der sündigen Stadt bereits angekündigt ist, soll aber vorerst eine ganz andere Adaption diesen Weg einschlagen: 300.

300 erzählt die Geschichte der spartanischen Elitekämpfer, die sich gegen die nach ihrem Land gierenden Perser an den Termophylen erwehren.
Als Grundgerüst für die Thematik reicht die kurze Zusammenfassung völlig aus, doch genügt das nicht, um den Film nicht als Demonstration von männlicher Körperkraft und bloße Zurschaustellung von rauher Gewalt verkommen zu lassen. Eben dies kompensiert Zack Snyder (und vermutlich auch Frank Miller im Comic) durch eine lange Einleitung und häufige Wechsel zu dem Treiben der Verbliebenen im Hofstaat des Königs.

So zeigt Snyder den zukünftigen König Leonidas vorerst als Heranwachsenden und erklärt damit geschickt die Tugenden der Spartaner. Das Kind als Halbstarken zu betiteln wäre unangemessen, denn werden schon jüngste männliche Nachkommen zu professionellen Kriegern getrimmt und auf harte Proben gestellt. Mut und Ehre sind die Schlüsselbegriffe im Leben des Spartaners, an denen sich sowohl das Dasein eben jener als auch das Dasein des Filmes orientiert. Während sich Männer mit perfekt geformten Körpern auf der Leinwand präsentieren erfährt der Zuschauer erzählerisch von dem kranken und nicht starken Nachwuchs, welcher bereits nach der Geburt selektiert wird.

Leider gelingt es dem Film vorerst nicht Spannung aufzubauen, was vermutlich an der Vorlage liegt. Der Zuschauer hat sehr schnell das Gefühl bereits alle wichtigen Details für die nahende Schlacht gesammelt zu haben und alles was da noch kommen mag bevor es denn endlich losgeht, bereits zu wissen oder gar nicht erst wissen zu wollen. Diese euphorische Ungeduld kann Snyder aber glücklicherweise immer wieder durch die bereits im Vorfeld gefeierte Optik und die bislang noch selten auftretenden Fantasiewesen eindämmen. Obwohl die Handlung einen längst nicht mehr vom Kinosessel reißen wird kann man sich der Leinwand einfach nicht entziehen. Nicht nur weil man die definitiv kommende Schlacht nicht verpassen möchte, sondern weil es Snyder in jeder Hinsicht gelingt das Comicflair einzufangen und dem Zuschauer dynamisch zu präsentieren.

Am Ende der zu komplexen Einleitung darf der obligatorische Geschlechtsakt zwischen König und Königin natürlich nicht fehlen, der angenehm kurz ausfällt. Das Ganze erfüllt jedenfalls seinen Zweck, denn ist es nicht untypisch, dass die Prozedur ganz gerne mal als Anlass genommen wird sich von seiner Geliebten zu verabschieden, um dem ein oder anderem Bösewicht seine Grenzen zu zeigen. Genau dies soll dann auch geschehen in Form einer bildgewaltigen Schlacht, in der sich König Leonidas und seine 300 spartanischen Gefolgsleute einer immensen Übermacht von Persern inklusive mythischen Wesen erwehren. Hier glänzt endlich nicht nur die faszinierende Optik sondern insbesondere auch die Inszenierung des niemals chaotischen Treibens. Allein die Wahl des Schauplatzes (einer engen Schlucht) demonstriert den professionellen Gedankengang der Spartaner bereits, doch auch deren Kampfverhalten, inklusive der Phalanx, bleibt für den Zuschauer stets nachvollziehbar. Nur weil es Zack Snyder so gut gelingt das Treiben auf dem Schlachtfeld einzufangen, kommt bei dem Zuschauer immer wieder das Gefühl auf, als könnten die Protagonisten die Übermacht tatsächlich bewältigen. So fokussiert er sich in der Schlacht komplett auf die spartanischen Krieger und lässt die persischen Angreifer in der Regel wortlos sterben. Nur wenige Auserwählte dürfen ihren meist provokanten Senf dazugeben, allerdings dann auch nur um von einem beliebigen Spartaner samt erwiderndem Kommentar hingerichtet zu werden. Welcher Krieger mit seinem Kommentar und der anschließenden Tötung beim Publikum Anklang finden darf spielt in 300 überhaupt keine Rolle, dadurch zeigt Snyder gekonnt die Gleichheit der Spartaner, auch die ihres gemeinsamen Schicksals.

Natürlich sticht Gerard Butler als Leonidas hervor, doch kann er sich das als König auch erlauben. Der Schauspieler erweckt seine Comicfigur mit seiner grandiosen Leistung ebenso zum Leben, wie der Regisseur den gesamten Comic genial visualisiert. Leonidas ist genau der König den sich jeder Spartaner wünschen würde, voll Mut und Ehre und er ist bereit für jeden seiner 300 Männer zu sterben, sowie sie jederzeit mit ihm untergehen würden. Obwohl Leonidas ebenso loyal gegenüber seinen Kriegern ist wie sie gegenüber ihm strahlt er die volle Dominanz aus. Mit seinen wüsten Kampfschreien und klaren Ansagen bringt er nicht nur die Perser sondern auch die Zuschauer vor der Leinwand zum erzittern. Butler schafft es perfekt den Krieger und auch den Menschen Leonidas darzustellen, was sich ganz besonders am ungewöhnlich dramatischem Ende zeigt.

Doch bis dahin ist es glücklicherweise ein langer Weg. Dieser Weg bleibt optisch herausragend, wird akustisch immer wieder sensationell und führt den Zuschauer leider hin und wieder auf das Abstellgleis. Im Hofstaat Spartas nämlich muss sich die Königin für ihren Mann vor dem Rat rechtfertigen, und so mit Intrigen kämpfen. Leider bleiben diese Art von Kämpfen im wesentlichen unspektakulär und belanglos. So aber hat Snyder immerhin eine Schonungskur für das Publikum geschaffen, langweilt die Zuschauer ja auch nicht und gönnt seinen Feldherren eine Auszeit.

Diese Auszeiten sind stets sinnvoll plaziert und auch nicht von langer Dauer, fördern aber durchaus die Anspannung des Zuschauers, der sich nach ersten Auftritten von mythischen Wesen fragt, was wohl als nächstes kommen mag. Dies ist sensationell gelöst und ein dramaturgisch geschickter Kniff, den tapferen Spartanern im Laufe der Zeit immer härtere und größere Brocken vorzuwerfen, welche den Zuschauer immer wieder beeindrucken. Anders als die Zuschauer können die spartanischen Elitekrieger über die persischen Ungetüme nur lachen und schicken tier- und trollähnliche Wesen ins Jenseits. Diese sind wunderschön animiert und fügen sich perfekt in das spektakuläre Gesamtbild. Noch weitaus interessanter allerdings fallen die Kostüme und Masken aus, die so sicherlich nicht neu sind, aber in einer angenehmen Vielfalt auftreten. Besonders hervorzuheben sind hier die "Unsterblichen", die sich in ihrem Auftreten klar von den anderen persischen Einheiten unterscheiden und extrem mythisch wirken. (Wobei diese Eliteeinheiten vermutlich die legendären Assassini darstellen sollen, Anm. d. Red.)
Überhaupt fügen sich sämtliche Gestalten im Film dem optischen Gesamteindruck perfekt ein. Alles ist in Erd- und Sandtönen gehalten, selten finden sich grüne Wiesen oder ein blauer Himmel auf der Leinwand. Statt dessen kämpfen die Spartaner entweder auf den Leichen der Perser, oder auf dem steinigen Untergrund der Schlucht. Der Himmel über der Schlacht bildet da keine Ausnahme, sichtbare Abstufungen von Brauntönen dominieren. Der Farbfilter sorgt für das gewollte und konsequent umgesetzte Comicflair und lässt den Zuschauer in der tobenden Schlacht Charaktere und Umgebung gleichermaßen wahrnehmen.
Hinzu gesellt sich ein blutiger Rotton, der oftmals auf Speerstiche oder Schwerthiebe folgt. Snyder gestaltet sein Filmblut weniger organisch als es in anderen Filmen so oft eingesetzt wird, statt dessen gelingt es ihm, die Rottöne wie dicke Pinselstriche oder Farbkleckse auf der Leinwand erscheinen zu lassen. Diese ungewöhnliche Umsetzung unterstreicht den Comicstil perfekt und macht den Film so zu etwas ganz Besonderem.

Nicht ganz so bahnbrechend ist der Soundtrack, der zwar immer sehr gut passt, den Film jedoch nicht in den siebten Himmel katapultieren wird. Während das monotone Geräusch von bohrenden Speeren überwiegt fügt der Regisseur an einigen ausgewählten Stellen kurze Passagen von fetzigen Elektroklängen ein, die die sonst herrschenden Trommelschläge ablösen und sich undenkbar harmonisch in das Geschehen mogeln. So verblüffend das klingt, war ich erstaunt wie es funktioniert und Abwechslung bringt.

Abwechslung bringt den Inhalt des Filmes auf einen Punkt. Denn 300 zeigt endlich mal eine ordentliche Schlacht ohne dabei krampfhaft historische Ereignisse aufzuwühlen, 300 trumpft mit grandiosen Sprüchen auf, 300 geizt nicht mit Demonstration von Macht auf dem Schlachtfeld und 300 hat ein anständiges Ende.
Ich glaube aufgrund der optischen Reize, die Snyder gekonnt in Szene setzt und der vielen untypischen Besonderheiten in seinem Epos hat er einen ganz großen Wurf gelandet.
Den bruchstückhaften Sin City jedenfalls hat 300 für mich geschlagen.

 

Autor: Nils Block © http://www.weltdermedien.de 2007