09.10.2017

Haben die Androiden ausgeträumt?

Blade Runner 2049
Blade Runner 2049
USA, Großbritannien, Kanada 2017.
Regie: Denis Villeneuve 

 

Keine Frage: "Blade Runner" (Scott 1982) ist ein legendärer Film, der den Blick einer ganzen Generation auf eine dystopische Zukunft gBlade Runner 2049 Filmplakat, Quelle: Sony Pictureseprägt hat. Gefangen in dem finsteren, urbanen Moloch des zukünftigen Los Angeles entfesselte sich ein Kampf zwischen  Realität und Illusion, ein Diskurs um Identität, Moral und Ethik. Dazu kam eine gewaltige Bildsprache, die sowohl Versatzstücke des expressionistischen Kinos der Weimarer Zeit als auch der Lichtmalerei des Film Noir enthielt. Harrison Ford übernahm in "Blade Runner" die Rolle des Polizisten Rick Deckard, der Jagd auf Replikanten, also geklonte Menschen, machte, die sich äußerlich nicht mehr von den natürlich geborenen Menschen unterscheiden ließen. Im Verlauf der Jahre wurde der Film sowohl vom Studio Warner Bros. als auch von seinem Regisseur Ridley Scott mehrfach wieder aufgegriffen und erneut veröffentlicht, als Director's Cut und als Final Cut, also in jeweils unterschiedlichen Schnittfassungen, die insbesondere den Schluss variierten. Doch nun, 35 Jahre später, war es anscheinend an der Zeit, ein Sequel in die Kinos zu bringen: "Blade Runner 2049". Bereits im Vorfeld lief die Marketing-Maschine wie geschmiert, und diverse Trailer im Internet erzeugten eine hohe Erwartungshaltung bei den Fans des Kultfilms.

Mehr Schein als Sein?

"Blade Runner 2049" macht dabei auch vieles richtig. Er orientiert sich sowohl an der Bildsprache als auch an der Musik seines Vorgängers, versucht aber, über dessen Fußstapfen hinauszugehen. Mehr Handlungsorte, mehr Protagonisten, mehr Effekte, mehr Laufzeit. Optisch funktioniert das auch ganz hervorragend, die Kamerarbeit und das mise en scène präsentieren eine Epik, die ihresgleichen sucht. Die majestätische Größe der auf der Leinwand ablaufenden Bilder entwickelt einen Sog, der die Zuschauer in den Bann des Filmes zieht und mit auf eine mystische Reise in eine Welt der Zukunft nimmt. Allerdings ist diese Epik auch ein großer Blender. Wer hinter die Illusion schaut, wird eher ernüchtert.

Der "Blade Runner" wird zur lahmen Ente

Mein Eindruck ist, dass sich Villeneuve mit dem Projekt schlichtweg verhoben hat. Die guten Absichten des Regisseurs sind vielerorts deutlich spürbar, nur machen gelungene Ansätze noch keinen guten Film. Insbesondere krankt es an der Laufzeit, die inszenatorisch völlig überzogen ist und damit den Film ausbremst und viel zu oft ins Leere laufen lässt. Denn die Handlung ist zwar eine logische Weiterentwicklung des ersten Teils, aber relativ einfach und linear gehalten. Und mit einem eher überschaubaren Plot ist es eben schwer, fast drei Stunden Film zu füllen. Entsprechend häufig plätschert "Blade Runner 2049" einfach vor sich hin, ohne echte Weiterentwicklungen der Story anbieten zu können. Die Wendungen, oder neudeutsch Twists sind tatsächlich sehr absehbar und als Folge wenig überraschend. Denn leider nimmt die Inszenierung den Zuschauer zu sehr an die Hand und gibt konstant Hinweise auf den weiteren Verlauf der Story, so dass sich die Kinobesucher bereits lange vor dem tatsächlichen Geschehen die entscheidenden Storyelemente zusammengereimt haben.

Schauspiel aus der Kategorie 08/15

Auch schauspielerisch sollte man keine denkwürdigen Auftritte erwarten. Das stoische und mienenarme Spiel von Ryan Gosling wirkte auf mich eher zweckdienlich denn herausragend, und die Mini-Auftritte von Jared Leto als durchgedrehter Geschäftsmann hätte man entweder besser ausarbeiten sollen oder sich gleich schenken können. Denn so konnte Leto Joe Turkel nicht das Wasser reichen, der damals den Mogul Dr. Eldon Tyrell spielte. Auch Harrison Ford zeigt sich nach einem etwas merkwürdigen, ersten Aufritt vor den Augen des Kings nicht mehr als durchschnittlich, viel Tiefe gibt er seinem alten Charakter Rick Deckard leider nicht. Dabei hätte Ford gerade hier zur Höchstform auflaufen können, und uns einen gebrochenen Mann zeigen können, der nach seiner Flucht vor der Gesellschaft in kompletter Isolation lebt...aber Ford verzichtet darauf. Einzig Sylvia Hoeks manisch-wutentbrannte Präsenz als Antagonistin Luv bleibt im Gedächtnis, sie liefert wirklich gute Arbeit ab und hebt sich damit vom übrigen Cast ab. Der minimalistische Soundtrack ist okay, vermag sich aber nicht so recht von der Vorlage zu lösen um eigene Akzente zu setzen, und bleibt daher blass.

Darf es ein Peugot sein? Oder ein Johnnie Walker?

Geradezu frech ist hingegen das Product Placement. Auf den Leinwänden in der Stadt ist es natürlich Pflicht, riesengroß tatsächlich existierende Marken wie Coca Cola oder Atari auftauchen zu lassen. Dies dient zum einen der Atmosphäre, zum anderen wird so aber auch ein realer Bezug hergestellt und die Fiktion damit authentischer gemacht. Nur geht der Film noch weit darüber hinaus, der durchaus präsente Einsatz beispielweise der Embleme französischer Autohersteller oder schottischer Whiskeybrennereien ist einfach überflüssig und wirkt sich damit wieder negativ auf die Atmosphäre aus. Wenn Sie Millionen von Whiskeys zu ihrer Verfügung hätten, würden Sie dann ausgerechnet zum Black Label von Johnnie Walker greifen? Eben.

Waren die Erwartungen zu hoch?

Insgesamt habe ich einen eher durchschnittlichen Film gesehen, der zwar unterhalten konnte und auch seine Momente hatte, der aber sicherlich weit davon entfernt war, ein Meisterwerk zu sein. Auf der anderen Seite hätte es natürlich auch schlimmer kommen können.

Autor:  © http://www.weltdermedien.de 2017