03.10.2005
Eine bunte Mischung
Die Reise des jungen Che
The motorcycle diaries / Diarios de motocicleta
USA, Deutschland, Argentinien, Großbritannien, 2004.
Regie: Walter Salles
Dieser Film beschreibt einen Ausschnitt aus dem Leben des Ernesto "Che"
Guevara de la Serna, und zwar noch aus der Zeit, bevor er zum Commandante Revolutionsführer
in Kuba aufstieg. Heute kennt jedermann sein Gesicht, das einer Ikone gleich
von mannigfaltigen Flaggen, Aufklebern und Postern auf uns hinabschaut. Mit
Kuba und Bolivien hat "Die Reise des jungen Che" allerdings nicht
viel zu tun, denn was der Zuschauer geboten bekommt, gehört wohl am ehesten
zum Genre des Road Movie.
Che und sein Freund Alberto Granado nehmen sich im Jahre 1952 ein, wie es heute
heisst, Sabbatical und beschließen, einmal durch Lateinamerika zu reisen,
um das wirkliche Land und seine Bewohner zu erfahren. Sie beginnen ihre Reise
abenteuerlustig von Buenos Aires ausgehend auf einem altersschwachen Motorrad,
welches dann auch bald seinen Geist aufgibt, und die beiden Vagabunden so zwingt,
ihren Weg per pedes fortzusetzen.
Der Film beginnt interessant mit wunderschönen Landschaftsbildern und verbreitet
einen unterhaltsamen Flair. Es gibt einige komische Passagen, welche zumeist
darauf basieren, dass die Reisekasse der beiden fast immer leer ist und sie
sich so mit Erfindungsgeist und Wortwitz durchschlagen müssen. Bei der
Ankunft in Peru allerdings ändert sich der Tenor des Films, und erste sozialkritische
Elemente treten hervor. Die beiden bisher unbedarften Studenten werden mit gesellschaftlichen
Ungerechtigkeiten und der Unterdrückung der Landbevölkerung konfrontiert.
Dies wird mit starken Bildern in Szene gesetzt und hinterlässt abseits
der wundervollen Natur einen fahlen Beigeschmack. Leider nur einen Beigeschmack,
denn so recht mag der Funke nicht auf den Zuschauer überspringen. Der stilistische
Mix aus Independent-Film und US-Kino (als Produzent fungiert Robert Redford)
mag nicht so recht funktionieren. Trotz exzessiver Photographie mittels Handkamera
hält sich der Film auch eng an die Bildersprache Hollywoods. Simple Metaphern
sollen dem Zuschauer die spätere Entwicklung des Che Guevara andeuten,
scheitern aber oft am zu aalglatt präsentierten Charakter des zukünftigen
Commandante. Zudem wird der Stimmungsbruch im Film nicht sonderlich konsequent
durchgeführt, so dass die Problematisierung der gesellschaftlichen Situation
einfach zu kurz kommt. Dadurch wirkt "Die Reise des jungen Che" durchgehend
zu oberflächlich, eine wirkliche Tiefe lässt sich nur stellenweise
erkennen. Denn wirklich unter die Haut ging für mich kaum eine Szene, und
das ist schade. So wird dieser stilistische Mix leider niemandem wirklich gerecht.
Die Handlung basiert auf literarischen Vorlagen von Che und Granado selber,
und der 82-jährige Alberto Granado stand den Dreharbeiten sogar als Berater
zur Seite. Trotzdem plätschert das Geschehen mehr oder weniger dahin...
Welches Potential hier wieder verschenkt wurde! Auch scheint der Regisseur Walter
Salles Probleme gehabt zu haben, der Episode aus dem Leben der beiden Protagonisten
einen gelungenen Schluss zu schenken, denn das Ende zieht sich.
Dennoch lohnen sich auf jeden Fall die Landschaftsaufnahmen, und auch die Charaktere
abseits der Hauptprotagonisten, insbesondere im Lepra-Camp, wissen mit ihrer
Menschlichkeit zu überzeugen. So kann ich den Film aufgrund seiner Einfachheit
in den Metaphern und der Oberflächlichkeit nur bedingt empfehlen. Auch
wenn der Darsteller des Che viele Szenen aus dem Off kommentiert um ihnen die
nötige Tiefe zu verleihen, so ist das letzten Endes für meinen Geschmack
nicht ausreichend.
Autor: © http://www.weltdermedien.de 2005