02.11.2005

Ein Spiel-Film?

Doom - Der Film
Doom
USA, 2005.
Regie: Andrzej Bartkowiak


Ähnlich wie beim Comic könnte man auch beim noch neuen Medium des Computerspiels vermuten, dass es durch seinen hohen optischen Anteil dem Film sehr nahesteht. Bisher allerdings konnten Leinwandfassungen von Computer- und Videospielen nicht so recht überzeugen. Egal ob "Tomb Raider" (West 2001), "Super Mario Bros." (Morton 1993) oder die schauderhaften Streifen von Uwe Boll (zum Beispiel "House of the Dead" [2003]), wirklich zufriedenstellend gelang der Transport von Inhalten zwischen den beiden Medienformen nie. Neben halbwegs akzepablen Filmen wie "Mortal Kombat" (Anderson 1995) gab es überwiegend Tiefpunkte wie beispielsweise "Street Fighter" (Souza 1994) zu verzeichnen. Dennoch sind Verfilmungen von Computer- und Videospielen an der Tagesordnung, denn regelmäßig finden mehr Spiele ihren Weg ins Kino. Somit ist die Hoffnung nicht ganz unbegründet, dass irgendwann ein "Sin City" (Rodriguez 2005) der Computerspiele über die große Leinwand flimmert.

Das Computerspiel "Doom" revolutionierte bei seiner Veröffentlichung im Jahre 1993 die Welt der Interaktion auf vielerlei Hinsicht. Auch wenn die Betrachtungsart des Spielers aus der ersten Person nicht neu war, stellte das Gesamtkonzept des Spieles doch eine Neuheit dar. Insbesondere die Raumerzählung im Computerspiel wurde durch "Doom" revolutioniert, denn das Geschehen auf dem Bildschirm band den Spieler mit zuvor unbekannter Intensität ein.

"Wir hatten schon gegen fiese Kreaturen gekämpft, das war nichts Besonderes. Wir hatten auch schon aus First-Person-Perspektive aufs Spielgeschehen geguckt, selbst das war nicht neu. Aber niemals vorher waren wir persönlich so betroffen vom Geschehen, wie bei Doom. Betroffen im wörtlichen Sinne. Denn sie trafen uns, sie kamen immer näher, sie sprangen uns ins Gesicht und nahmen uns den Atem. Hilflose [sic] schmissen wir uns auf unserem Stuhl hin und her, um Raketen oder Feuerbällen auszuweichen, unser Puls raste, die T-Shirts saugten sich mit Schweiß voll und klebten an den Körpern. Bei keinem anderen Spiel [...] haben wir jemals nach Luft geschnappt. Doom brachte uns dazu. Die perfekte optische und akustische Simulation einer Extremsituation überzeugte unsere Körper davon, daß sie über ihre Grenzen gehen mußten." (Mertens, Mathias, Meißner, Tobias (2002): Wir waren Space Invaders. Geschichten vom Computerspielen, S. 162)

Und nun erwartet den Zuschauer die Verbindung des Spiels mit dem Film im Kino. Hierbeit tun sich natürlich viele Problematiken auf. Der Spieler eines Spiels ist es gewohnt, durch die Interaktion eine tiefe Immersion zu erfahren, denn er lenkt innerhalb der durch das Spiel vorgebenen Rahmenbedingungen das Geschehen auf dem Bildschirm. Der Spieler ist also durch sein Handeln verantwortlich für den Ablauf des Spiels. Beim Film sieht dies natürlich anders aus, denn vom Werfen mit Popcorn oder sprachlichen Äußerungen abgesehen kann keine Interaktion mit den Vorgängen auf der Leinwand entstehen. Der Zuschauer wird durch die Konverntionen des Kinos zwangsläufig in die Position eines Voyeurs zurückgedrängt und muss ich nun führen lassen. Nicht anders ist es auch bei der Verfilmung von "Doom". Die fehlende Interaktivität sollte so also am Besten durch eine fesselnde Handlung, spektakuläre Effekte und brilliantes Schauspiel kompensiert werden.

"Doom - der Film" scheitert dabei leider. Die Handlung wurde aus unerfindlichen Gründen gegenüber der Vorlage abgeändert, denn so warten nun keine Kreaturen der Hölle darauf, in selbige zurückgeschickt zu werden, sondern misslungene Geschöpfe der Gentechnologie. Warum frage ich mich, der typisch mystisch-teuflische Hintergrund der Spieleserie schien mir persönlich ideal für einen actiongeladenen Horrorfilm, aber es hat wohl nicht sein sollen. So steht die Verfilmung schon von Beginn an unter keinem guten Stern, und es wird auch zunächst nicht besser. Die Action kommt arg schleppend in Gang, denn vorerst regieren Dialoge das Filmgeschehen. Natürlich müssen im Film einige Gespräche für die Entfaltung einer Narration sein, aber gerade bei "Doom" erwartet doch wohl niemand hochgeistige Diskussionen weiser Menschen, zudem wenn die Charaktere recht offensichtliche Namen wie ‚Destroyer', ‚Reaper' und natürlich ‚Sarge' tragen. So strauchelt diese filmische Adaption eines Computerspiels bereits zu Beginn. Aufkommende Action-Sequenzen und Spannungsbögen werden durch deplaziertes und flaches Dahergerede unterbrochen ihrer Wirkung beraubt. Die leider nicht mehr teuflischen Kreaturen treten daher auch erst nach der Mitte des Films in entsprechender Anzahl auf. Bei diesen fiesen Monstren fühlte ich mich zudem noch oftmals an alte Godzilla-Filme (unter anderem Honda 1954) erinnert, denn für mich sehen diese genetischen Fehlschläge aus wie Schauspieler in eher schlecht gemachten Ganzkörper-Gummikostümen.

Erst gegen Ende wird es dann doch noch interessant! Der Film besinnt sich nämlich für kurze Zeit darauf, was er eigentlich ist: die cineastische Abbildung eines Ballerspiels. Plötzlich wird im Film auch die subjektive Kameraführung gewählt, und aus dieser Egosicht wird geschossen bis der Lauf der Waffe glüht. Warum nicht schon vorher so?
Somit ist "Doom - der Film" ein durchwachsenes Vergnügen, der seiner Vorlage nicht gerecht wird, und auf der anderen Seite als Film auch keine ausreichende Eigenständigkeit aufweist. Für Fans des Spiels ist der Streifen sicherlich trotzdem Pflicht, aber alle anderen sollten sich die Investition an der Kinokasse lieber zweimal überlegen, und gegebenenfalls lieber zur DVD greifen.


Passend zum obigen Artikel ist hier der erstmals am 02.11.2005 auf Radio Tonkuhle (http://www.tonkuhle.de) ausgestrahlte Kinobeitrag von Christoph Münch als MP3 zu hören.

Autor: © http://www.weltdermedien.de 2005