05.02.2006

Der Teufelskreis der Gewalt

München
Munich
USA, 2005.
Regie: Steven Spielberg


Steven Spielberg erweist sich in der letzten Zeit als regelrechtes Arbeitstier. Nach "Minority Report", "Catch me if you can" (beide 2002), "The Terminal" (2004) und dem just auf DVD erschienenen "War of the Worlds" (2005) startete unlängst sein neuestes Werk in den deutschen Lichtspielhäusern: "München". Für diesen Film hat sich der berühmte Regisseur ein besonders brisantes Thema auserchoren, nämlich den 5. September 1972 und dessen Konsequenzen. Dieses Datum ging als tragischer Tag in die Geschichte der olympischen Sommerspiele ein, an dem palästinensische Terroristen der Gruppe "Schwarzer Sonntag" israelische Sportler überfielen und als Geiseln nahmen. Die traurige Bilanz dieses unmenschlichen Anschlags waren 11 ermordete israelische Athleten, 5 getötete Terroristen und ein toter deutscher Polizist. Steven Spielberg hat es sich mit seinem neuen Werk zum Ziel gesetzt, die israelischen Racheakte in der Folge des Anschlags zu durchleuchten. Als Quelle zog er das umstrittene Buch "Vengeance" des ungarisch-kanadischen Journalisten George Jonas heran. Diese Vorlage, welche 1984 hierzulande unter dem Titel "Die Rache ist unser. Ein israelisches Geheimkommando im Einsatz" erschien, steht unter dem Verdacht, es mit der Wahrheit nicht allzu genau zu nehmen und eher in den Bereich der Fiktion zu gehören. Daher sollte man als Zuschauer stets im Hinterkopf behalten, dass das Gezeigte nicht der Realität entspricht, auch wenn uns Spielberg und sein Kameramann Janusz Kaminski mit vielen stilistischen Anleihen aus dem Genre der Dokumentarfilme auf das Glatteis der Authentizität locken wollen.

"München" ist rein technisch gesehen wirklich gelungen. Die Kameraführung ist dynamisch und ideenreich, der Schnitt künstlerisch ansprechend und die Musik von John Williams nahezu perfekt. Nur der Inhalt läßt leider zu wünschen übrig. Der Film wirkt, als hätte sich Spielberg nicht zwischen einem dokumentarischen Drama und einem Actionstreifen entscheiden können. So hatte ich eher das Gefühl, einen Agententhriller im Stile der Forsyth-"Jackal"-Inkarnationen (Zinnemann 1973, Caton-Jones 1997) zu sehen und kein tiefgründiges Meisterwerk. Es wird viel zu viel geballert, gesprengt und geprügelt, während ausgefeilte Charakterzeichnungen leider auf der Strecke bleiben. Auch beim Grad der Gewaltdarstellung hat Steven Spielberg deutlich übertrieben, denn so viel Blut wirkt besonders wegen der sensiblen Thematik einfach deplaziert. Manche Szenen bilden die Gewalt deart unmotiviert und kontextfrei ab, so dass der Film stellenweise ungewollt surreal wirkt.

Schon das alte Testament wusste: "Wer Wind sät, wird Sturm ernten." So könnte man auch die Aussage vom "München" auf den Punkt bringen. Der Zuschauer bekommt eine Spirale der Gewalt präsentiert, die leider nicht ausreichend hinterfragt wird. Angesichts des Themas hätte ich mir gerade von Steven Spielberg weitaus mehr erwartet als leere Worthüllen und Spionage-Action. Auch wenn Spielberg offensichtlich versucht, nicht zu werten und dem Zuschauer das Urteil zu überlassen, wirken die Dialoge oftmals zu hölzern und profan. Der Hauptdarsteller Eric "Hulk" Bana ist leider kein Großmeister des Charakterfachs und vermag es daher nicht, den oberflächlichen Phrasen die notwendige Tiefe zu verleihen. Nett hingegen ist das internationale Nebendarsteller-Ensemble, zu dem auch der deutsche Schauspieler Moritz Bleibtreu gehört. Gegen Ende zieht sich der 164 minütige Film noch arg, so als ob Spielberg nichts mehr zu sagen gehabt hätte, was für mich auf eine mangelhafte dramaturgische Konsruktion hinweist.

"München" für mich leider nur Durchschnitt. Mir ist es unverständlich, warum gerade Steven Spielberg eine umstrittene Quelle als Wahrheit darzustellen versucht, und diese dazu mit Action und Gewalt aufpeppt. Unterstützenswert ist jedoch, dass weder die Palästinenser noch die Israelis als Gut oder Böse abgebildet werden, die Meinungsbildung bleibt also schlußendlich dem Zuschauer überlassen.


Passend zum obigen Artikel ist hier der erstmals am 01.02.2006 auf Radio Tonkuhle (http://www.tonkuhle.de) ausgestrahlte Kinobeitrag von Christoph Münch als MP3 zu hören.

Autor: © http://www.weltdermedien.de 2006